Banner

← Zurück zur Übersicht

Kerb 1958 - Erinnerungen von Werner Sehnert (Kerbvadder)

Bild: Historisches Bild

In der Zeit als wir Kerbborsche waren, vom September 1957 bis 1958 fehlte es nicht an großen Ereignissen, unter anderem die ersten Satelliten, Sputnik 1 und Sputnik 2, mit dem Hund Leika rasten um den Erdball ... und auch über Schaafheim. Der Rock'n'Roll brachte die Republik außer Rand und Band. Die Weltausstellung war in Brüssel, Konrad Adenauer war Bundeskanzler, Ludwig Roth Bürgermeister.

Die kommunalen Themen waren die Müllabfuhr und der Kanalbau. Schaafheim hatte keine 4000 Einwohner und keine 70 Autos.

Traditionell wurde die Kerb zünftig, aber nur Sonntags und Montags, gefeiert. Samstags wurden die Kerbwagen geschmückt und in der Nacht die Kerb in Form eines Bierfasses begraben. Mit dem Umzug am Sonntagmittag begann offiziell die Kerb. Die Kerb wurde gesucht und gefunden, auffällig nur, dass wir keinen Kerbstoffel hatten (mehr zu diesem Umstand der Artikel: "Warum fiel der Kerbstoffel 1958 vom Himmel?").

Da wir kurz vor der Musterung standen, war unser Kerbmotto: "Der Regierung einen Rat, lieber Kerbborsch als Soldat". Auch hatten wir ein eigenes Kerblied von Walter Krautwurst. Wir hatten keinen Überkerbvadder, wir waren fast alle 20 Jahre und wussten was wir zu tun hatten. Der Kerbspruch wurde aus dem Fenster an der Stirnseite im ersten Stock der damaligen Halle, ohne Beschallungsanlage, gehalten. Neben dem Fenster war eine Halterung für den Kerbstrauß, der dann bis zur Nachkerb hängen blieb.

Um Stoff für den Kerbspruch musste man sich damals keine Sorgen machen. Männer wie Georg Schäfer (Dibbe), Heinrich Trippel (Nuss) und Heinrich Krautwurst (Schmidshoine) waren, jeder für sich, in der Lage einen zweistündigen Kerbspruch zu füllen. Die größte Strafe für diese Originale wäre es gewesen, wenn einer nicht erwähnt würde.

Danach traf sich die Jugend zu den Klängen der damals bekannten Kapelle "Excelsior" zum Tanz in der Halle. Der Kerbwirt war Ludwig Sauerwein (Phillips-Lui).

1958 gab es Montags noch keinen Frühschoppen. Die Schausteller öffneten erst am späten Nachmittag, der Tanz begann am frühen Abend. Den Montag zogen wir als Vagabunden gekleidet mit einem Planwagen und einem älteren Lanzbulldog durch Schaafheims Straßen und erschnorrten uns so manches trink- und essbares, sonst wurde auch schon mal eine Kuh oder Ziege aus dem Stall geholt und durch die Straßen geführt.

Beim Tulpekhätschie wurden die geschnorrten Eier roh in einige Maß Bier geschlagen, umgerührt und zum Schrecken vom Khätschie ausgetrunken. Auch wurde zum wiederholten Mal der falsche Bock zur falschen Häsin gesetzt und es Khätschie hatte wieder mehr Hasennachwuchs als Platz im Stall.

Am Abend waren wir wieder mit weißen Hemd und Schleife in der Halle und sorgten, neben der Kapelle, für Unterhaltung der vielen Gäste.