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Aus der "Schaafheimer Zeitung" – Ausgabe 34 / 25. August 2022

525 Jahre Scheffemer Kerbtradition

Die Scheffemer Kerb hat eine über 525 Jahre alte Tradition. Im Schaafheimer Archiv wird sie erstmals 1496 in einer Akte genannt. Beim Kramen in den Schaafheimer Archivakten stößt man auf Unterlagen und Schriftstücke u.a. auch von der Scheffemer Kerb, die belegen, wie lange es die Scheffemer Kerb schon gibt.

Auch wenn die Art der Gestaltung und des Feierns der Kerb sich über die Jahrhunderte einige Male grundlegend verändert hat, so war sie immer ein großes Fest innerhalb und außerhalb Schoffems Mauern. Und die Scheffemer waren immer mit großer Begeisterung dabei. Veränderungen: Ja, aber diese alte, über Jahrhunderte gefeierte Kerb darf nicht aus unserem Leben, dem Scheffemer Leben, verschwinden.

Ein echter Scheffemer erinnert sich vielleicht an seine „schönsten Tage“ in seinem Leben - die Scheffemer Kerbezeit. An den Platz Gwetschekuche dehoam bei de Großmutter am Kaffeedisch, an das Karussell unn die Schiffschaukel, Autoscooter uffem Kerbplatz, an die Los- und Schießbude, den Duft von Zuckerwatte, Waffeln, gebrannten Nüssen und an die Wundertüten. Und da war auch noch das große Bierzelt, da war rundum für das leibliche Wohl gesorgt, eine Tanzmusik sorgte für Stimmung. Dies war in den 1970er- bis Anfang der 2000er-Jahre so und bis in die heutige Zeit.

Natürlich gab es da auch die Kerbborsche und das Symbol der Kerb, den Kerbstoffel (Strohpuppe) und natürlich den Kerbspruch. Bis dann die Kerb rimm wor unn de Kerbstoffel am Dienstoachowend verbrennt werd.

 

Woarste schunn mol do in Schoffem uff de Scheffemer Kerb?

Noa - doann hoste woas verpasst.

 

Im Kerbzelt gab es das frische Rippchen mit Brötchen für den Hunger vom Kerbmetzger, dazu ein gut gezapftes frisches Bier für den Dorscht - ja, das waren Zeiten. So hat aber jede Zeit ihre Besonderheit und das eigentliche gesellige Erleben spielt eine große Rolle. Viele Freunde und Bekannte kamen von außerhalb zur Kerb nach Hause, nach Schoffem, ein Treffpunkt am Montag beim Frühschoppen mit Bierdunst im großen Bierzelt. Es gab viel zu erzählen, es wurde viel gebabbelt und auch manche Sprüch gekloppt. Auch Alt und Jung aus dem Ort trafen sich uff-em Frühschoppe im Kerbzelt, es waren gesellige Stunden und dies ging dann oft bis in den späten Nachmittag.

Die Kerbburschen, die alten Jahrgänge, treffen sich noch heute. Schon am Kerbfreitag trafen sie sich in den Wirtschaften. Da gab es die „Neue Welt“, den „Frankfurter Hof“, die „Krone“, „Hessischer Hof“, die „Frühlingsau“, den „Dorfkrug“, die „Waldeslust“ (die Heide), die Tulwe ... Es wurde iwwer die schöne Kerbzeit gebabbelt, wie es domols sou schoi woar. Dies alles kann man nicht vergessen, wenn man en echte Scheffemer is.

 

Unn überhaupt: Wie lange geht das nun schon mit der Kerb. Wer waaß doann dess? Lassen wir die Akten aus dem Schaafheimer Archiv sprechen.

Schon 1496-98 lassen sich Schriftstücke und Zahlungsbelege in den alten Schultheißakten finden. In den Schultheißenrechnungen aus den Jahren 1496-98 finden sich Belege. Dort heißt es gleich mehrmals:

Item (weiterhin) 2 Heller für die Schützen Kerbe, Item (weiterhin) 9 Albus 5 Schilling und 5 Heller der Fare Kerbe (Pfarrkerbe)

Die Kerb wurde von der Gemeinde, dem Schultheißen, unterstützt, so sagen es die Rechnungsbücher.

21 Gulden (für) die Farkerbe (Pfarrkerbe) 5 Gulden, 1 Schilling, 7 Heller (für) die Schütze Kerbe

Es wurde, so ist zu sagen, quasi zweimal Kerbe gefeiert, eine Schützenkerb und eine Pfarrkerb, die Fare Kerb war wohl die eigentliche Kirchweih. Auch in den Folgejahren sind die Aktenhinweise vorzufinden.

Die Maß Wein kostete damals sechs Pfennig. Und der Schultheiß gab 15 Gulden 5 Schilling und 1 Heller vor die Far Kerbe (für die Pfarrkerb)

Anno 1525 gab der Schultheiß 3 Gulden und 3 Schilling vor die Farr Kerbe (für die Pfarrkerb).

 

Aus der Schützenkerb und der Pfarrkerb Ende des 15. Jahrhunderts wurde die Weinkerb mit Kegelplatz, Kegelspiel, Kartenspielen. Dies war so Mitte des 16. Jahrhunderts. In allen Einzelheiten wird die Kerb im Jahr 1567 geschildert. Es gab damals einen großen Streit zwischen dem Pfarrer und dem Schultheißen um die Ausrichtung der Kerb.

Die Kirb, die Schaffheimer Kirb, sollte wie jedes Jahr im Juli anno 1567 am Sonntag, dem 21. Juli in dem Flecken Schaffheim in alter Tradition gefeiert werden. (Die Kirb war damals früher als heute.)

Niemand konnte die Gemein davon abhalten, die Kirb in dieser alten Tradition vorzubereiten und zu feiern.

Jedoch entbrannte ein heftiger Streit zwischen dem Pfarrer F. Ithman und dem Schultheißen Anastasius Blankh um die Kerb (siehe vollständigen Bericht "Anno 1567: Wer will uns in Schaafheim die Kirb verbieten?"). Der Pfarrer stellte die Kerb in Frage, wollte sie sogar verbieten und Anastasius Blankh, der Schultheiß, tat alles dafür, dass die Kerb doch ausgerichtet und gefeiert werden konnte. Der Pfarrer beschuldigte und prangerte die Gemein an. Er predigte von der Kanzel: „Die Kerb wird wegen Glücksspiel und Sauferei verboten!“ Ein Verbot - schon damals undenkbar.

Schließlich konnte sich der Schultheiß Unterstützung bei dem Amtmann in Babenhausen einholen, sodass die Kerb ausgerichtet werden konnte. So wurde die Kerb in alter Tradition gefeiert.

 

Wie wurde die Kerb anno 1567 gefeiert? Hier gibt es eine genaue Schilderung in den Akten. Schon Anfang Juli wurden vom damaligen Schultheißen Anastasius Blankh und den „Zehndern“ für die Gemein die ersten Vorbereitungen getroffen. Der Kegelplatz, der außerhalb des Dorfes vor der Dorfmauer lag, wurde hergerichtet. Kegeln, Spiel, Musik und Tanz waren angesagt, es sollte ein lustiges und fröhliches Treiben an den Kirbtagen wie jedes Jahr ermöglicht werden. Hauptattraktion an den Kirbtagen neben dem Würfel- und Kartenspiel war das Kegeln. Damals stand beim Kegeln nicht der sportliche Aspekt im Vordergrund, sondern das Abschließen von Wetten auf die fallenden Kegel. Dabei wurde auf die einzelnen Kegel gesetzt und gewettet. Als Preis für den besten Kegler war „Barchent (ein Tuch) für einen Wammes“ vom Schultheißen ausgesetzt.

An diesen Tagen sollte wie immer auch reichlich Wein ausgeschenkt werden. Man sollte sich dem Feiern und „Schwelgen“ und dem „Fressen und Sauffen“, wie es damals etwas derb umgangssprachlich hieß, widmen (dem Essen und Trinken - so würde man heute sagen). Der Kegel-, Kirbplatz, war wie eine Laube für die Vergnügungen gestaltet. Vergnügungen wie das Tanzen, das Würfel- und Kartenspielen waren allseits beliebt. Die Burschen steckten sich zum Tanz eine Feder an den Hut und einen Rosmarinzweig an den Wammes. - Es sollte eine fröhliche Kirchwey für die Gemein und für das Pfarrvolk werden. So war das schon anno 1567.

 

Vom 17. Jahrhundert weiß man nicht sehr viel über die Kerb in dieser Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, der eine große Verheerung und Armut hinterließ. Die Zeit des Weins in Schaafheim war vorbei und die Scheffemer tranken immer mehr Bier.

Schon Mitte/Ende des 17. Jahrhunderts heißt es: „Das Rathaus wurde im Jahr 1684 mit Bier gebaut“. Gemeint ist hier allerdings: „Mit Bier bezahlt“ (der Zimmermann erhielt damals u.a. als Lohn drei Ohm Bier). Damit wird aber dokumentiert, dass Bier mehr und mehr den Wein verdrängte.

Im 18. und 19. Jahrhundert verlagerte sich die Kerb vermutlich mehr in die Gasthäuser und es wurde dort mehr Bier als Wein getrunken.

Im Jahr 1929 wurde der Kerbspruch von den Junggesellen des Athletenvereins gehalten. Die Vereine sorgten für den Ablauf des Kerbumzuge: 1929 waren die »Junggesellen« des Athletenvereins dran. Der Kerbspruch wurde von Georg Höreth gehalten. Im Jahr 1947 war der Kerbplatz vor dem Frankfurter Hof, Lindenstraße (Nachkriegsjahre). Von 1949-54 wurden am Schützenhof die Kerbsprüche gehalten. Schiffschaukel, Karussell und Buden waren am „Saiplatz“ aufgestellt. Zeltkerb war das neue Wort ab 1957. Der Kerbplatz wurde vor der neuen Sport- und Kulturhalle eingerichtet. Auch der Kerbspruch wurde dort gehalten. In den Fünfzigerjahren erlebte die Kerb neuen Aufschwung und zum Kerbspruch kam noch das Kerblied hinzu.

 

Auszug aus dem Kerbspruch: Isch grieß euch all in Schoffems Mauern, ihr grouße und ihr kloane Bauern, denn endlich is es wirrer souweit, es kimmt die scheene Kerbezeit.

Woann de August em September weischt, unn de Gwetschekucheduft dorch die Haiser schleicht - doann mache mir Scheffemer uns uff die Socke, um uns zuenanner ins Kerwezelt zu hocke.

 

Auszug aus dem Kerblied: Die Scheffemer Kerb, die Scheffemer Kerb, die Scheffemer Kerb is do, woas soin die Leit sou froh, die Scheffemer Kerb is do. Sie laafe borfuß uff de Gasse rum unn kaue Chewigumm, was soin die Leit sou dumm.

Es schenste Kerbklaad denkt es Mädsche, des muss moines soi, isch mach misch foi un schoi, isch will zur Kerb hoi goi. Oans Kerbklaad ja do muss en Ausschnitt drou, der mescht die Buwe frou, mer muss ach Leckschen hou. ...

Tanzen und schick machen gehörte dazu und die Kerbborsche mussten den Kerbtanz eröffnen. Das zur Kerbtradition.

 

Es bedurfte einer großen Personenanzahl, um eine so große Kerb mit Zelt und Verköstigung auszurichten. Viele Helfer waren. notwendig und die Arbeiten wurden von den Vereinsmitgliedern geleistet. Dies wurde in den letzten Jahren immer schwieriger. Die Bereitschaft der Vereinsmitglieder hatte ihre Grenzen. Veränderte Lebensauffassungen und Bedingungen/Umstände wirkten mit. Bis nun heute, in den Zwanzigerjahren des 21. Jahrhunderts, neue große Veränderungen anstehen. Man kann dem neuen Organisationsteam nur viel Erfolg wünschen.

 

Lang lebe die Scheffemer Kerbtradition, die gesellige und fröhliche Kerb in Schoffem.

 

Der letzte Satz vom Kerbspruch lautet: „Und wenn dieses Glas hier nicht zerbricht, feiern wir im nächsten Jahr die Kerbe nicht.“ (Das Glas wird vom Redner auf den Boden geworfen.) Unn dess derf in Schoffem nie im Läwe passiern.

 

Quellen: Textauszüge aus dem Buch „Schaafheim wie es früher war“ von W. u. E. Kreh, Gemeindearchiv - Schultheißrechnungen