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50 Jahre Scheffemer Kerbborsche 1968-2018

Jahrgang 1949/50 - Goldenes Kerbborsche Jubiläum

Die Kerbborsche, Jahrgang 1949/50, feiern ihr goldenes Jubiläum und blicken zurück auf ihre unvergessene Kerb vom 24. bis 26. August 1968.

Damals wurde die Kerb noch von Gastwirten abgehalten und nicht nur von Vereinen. Unser Kerbwirt war der „Laternchenwirt“ Ludwig Sauerwein.

An allen drei Kerbtagen, also con Samstag bis Montag, fand in der Kulturhalle der Kerbtanz mit der Kapelle „tip-top-club“ statt. Samstags war zusätzlich noch Tanz im Saal vom „Frankfurter Hof“ mit der Goldbacher Trachtenkapelle, zu dem der „Neue-Welt-Wirt“ Heinz Reibert eingeladen hatte.

Parallel zur Kulturhalle stand das Kerbzelt, das bei Weitem nicht so groß war wie heute. Hier herrschte an allen drei Tagen reger Kerbbetrieb, besonders montags zum Frühschoppen.

Die Attraktionen auf dem Festplatz waren ein Kettenflieger sowie Schiffschaukel, Kinderkarussell, Schießbude, Losbude und natürlich ein Stand mit Süßigkeiten, bei dem man begehrte Tüte Waffelbruch kaufen konnte.

Ein Jahr lang, ab der Kerb 1967, haben wir uns auf unsere Kerb 1968 gefreut und diese vorbereitet. Wir waren ein gutes Team von 20 Mann zwischen 18 und 19 Jahre alt, hatten fast alle ausgelernt. Waren selbständig und trinkfest. Einen älteren Kerbvadder, der auf uns aufpasste, haben wir nicht gebraucht!

Gleich nach der Kerb ‚67 fand die erste Sitzung statt – nach dem Motto: „Nach der Kerb – ist vor der Kerb“.

Es gab einiges zu tun:

  • Scheffemer Ereignisse und Geschehnisse für den Kerbspruch sammeln,
  • den Kerbspruch dichten, den Kerbzug planen,
  • Wagen und Fahrzeuge organisieren,
  • die Wagen bauen, Schilder malen,
  • den Kerbstoffel herstellen usw.

Der Kerbstoffel war mit Beginn der Schaafheimer Kerbborschentradition, etwa um 1800, eine lebende Person. Er war Anführer der Kerbborsche und hatte bunte Stofflappen auf die Hose genäht. Im Laufe der Zeit wurde er durch eine lebensgroße Strohpuppe ersetzt. Unser Kerbstoffel hatte die Mutter von Gerhard Diehl genäht, sie wurde deshalb zur Kerbmutter ernannt.

Die größte Blamage wäre gewesen, wenn der Kerbstoffel geklaut worden wäre und den Kerbdienstag nicht erlebt hätte. Er wurde deshalb nicht aus den Augen gelassen und ständig von zwei Mann bewacht. Vorsichtshalber hatten wir ja noch einen Ersatzstoffel auf dem Dachboden versteckt.

Den Kerbspruch haben wir selbst gedichtet und rechtzeitig dem damaligen Bürgermeister Perschbacher zur Zensur vorgelegt. Vom Balkon des Wartturms wurde der Kerbspruch unter strengster Geheimhaltung in der Nacht geprobt.

Die Kerb kam mit schnellen Schritten auf uns zu. In den Tagen kam Hektik auf, da wegen der späten Ernte noch viele Wagen, die als Kerbwagen gebraucht wurden, im Einsatz waren.

Der Kerbzug lief wie folgt ab:

  • Pferdekutsche mit Komitee
  • Wagen mit den Kerbborschen
  • Wagen mit der Kapelle
  • drei Motivwagen
  • Kerb-Gogomobil
  • zwei drehende Holzräder
  • eine antike „Kinnerscheese“
  • Fahrrad im Bikerlook

Die Highlights dabei waren das Gogomobil und die Holzräder. Im Hinblick auf den 1967 neu gegründeten MSCW hatten wir das Gogo mit Lattentürchen und Ralleystreifen verziert.

Dieses Gogomobil wurde am Kerbsonntagabend vollbesetzt mit allen Kerbborschen in die Kulturhalle mit einer Riesengaudi auf die Tanzfläche geschoben.

Die Idee mit den Holzrädern hatten wir von einem älteren Jahrgang übernommen, jedoch auf zwei nebeneinanderliegende Räder erweitert. Die Räder wurden am Obertor beim Schmied Diehl konstruiert, gebaut und geschmiedet.

Das Gespann wurde am Breiten Steg so lange getestet, bis es einwandfrei funktionierte. Die Besatzung der Räder musste schwindelfrei sein und gute Kondition haben. Nur die „Harten“ konnten damit starten, nämlich R. Schwöbel, R. Seemeyer, H. Meyer und H. Sauerwein. Auf jeden Fall waren die Räder mit ihrer Besatzung ein Hingucker und ein voller Erfolg. Wir sind heute noch stolz darauf.

Endlich war es soweit – die Kerb 1968 war da – und vier einmalige Kerbtage lagen vor uns:

Kerbfreitag:

Nach den letzten Handgriffen an den Kerbwagen haben wir vom „Hessischen Hof“ bis zum „Fasaneneck“ in allen Wirtschaften die Kerb angetrunken.

Kerbsamstag:

Mit grünem Kerbhut, weißen Hemd und Kerbschleife sind wir durch die Lokale im Ort gezogen und gegen Mitternacht im Zelt und in der Halle einmarschiert. Mit einer Riesenstimmung wurden wir als die „Kerbborsche 1968“ begrüßt und vorgestellt. Es war damals noch nicht üblich, dass der Kerbborsch danach mit seiner Mama tanzte. Wir sind mit Kerblied, Polonaise und Rabatz in das Geschehen eingestiegen.

Spät in der Nacht wurde die „68er KERB“ von zwei verantwortlichen Zylinderkerbborschen vergraben. Die Übrigen durften den Platz noch wissen, denn die KERB wurde ja sonntags im ganzen Ort gesucht.

Kerbsonntag:

Am Sonntag startete der Kerbzug in der Lindenstraße und zog durchs Ort. Mit Schippen, Spaten, riesiger Messlatte und sonstigem Gerät wurde die KERB von den Kerbborschen in verschiedenen Hofreiten und Grünanlagen gesucht. Endlich wurde sie – eine versiegelte Drei-Liter-Flasche Wein – auf dem „Seiplatz“ gefunden und ausgegraben. Mit der KERB ging es jetzt zum Kerbplatz, wo schon ganz Schoffem auf den Kerbspruch wartete. Vom Fenster der Kulturhalle aus wurde der Kerbspruch mit vielen Lach- und Sachgeschichten aus dem Ort gehalten.

In Zelt und Halle wurde dann ausgiebig gefeiert und wir Kerbborsche schwebten alle selig bis zum Morgengrauen durch die Nacht. Das Gefühl, ein Kerbborsch zu sein, kann man nicht beschreiben – man muss einer gewesen sein!

Kerbmontag:

Während montags der Frühschoppen im Zelt begann, machten wir uns traditionsgemäß auf den Weg in die Nachbarorte, in denen an diesem Tag auch Kerb war. Mit geschmücktem Kerbwagen und Traktor fuhren wir nach Sickenhofen, Groß-Zimmern und Kleestadt, natürlich nur in Begleitung von unserem streng bewachten Kerbstoffel. Am späten Nachmittag kehrten wir dann zurück und feierten nahtlos weiter bis zur Morgendämmerung.

Kerbdienstag:

Unsere Kerb näherte sich dem traurigen Ende. In den Abendstunden haben wir unseren Kerbstoffel in einem Backtrog unter dem Heulen und Stöhnen durch das Dorf getragen und mussten Abschied nehemen von ihm und unserer Kerb. Anteilnahme brachte uns auch unser damaliger Bürgermeister Ludwig Perschbacher entgegen. Er ist ein Stück mit uns gezogen und hat den Abschiedsschmerz mit uns geteilt und ertränkt. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde unser geliebter Kerbstoffel hinter der Halle verbrannt.

Die einmalige schöne Kerbborschezeit war vorbei! Was uns blieb, sind die jährlichen Kerbborschetreffen am Kerbfreitag, dem höchsten Feiertag eines jeden Kerbborschs. Jahrelang trafen wir uns bei unserer Schulfreundin Heide, die leider 2011 verstorben ist. Wir erlebten dort unvergessene Stunden.

Von den damals 21 Kerbborschen sind inzwischen fünf verstorben und zwei leben im Ausland. Bei unseren jährlichen Treffen sind immer zehn bis zwölf Borsche anwesend. Ein pfiffiger Kerbborsch aus dem Nagelschmiedgässchen hatte 1979 die Idee, eine Anwesenheitsliste zu führen, in der auch alle besonderen Ereignisse vermerkt sind. Zum Beispiel die Aufnahme eines Jahrgangskollegen aus dem Schwarzwald oder die Ernennung von Walter Sauerwein als „Ehrenkerbborsch“.

Wir treffen uns nun schon zum 50. Mal am Kerbfreitag, um in diesem Jahr unsere Jubiläumskerb anzutrinken.

Prost auf die 68er Kerbborsche! Die Scheffemer Kerb – sie lebe HOCH!

(Erzählt und notiert von Heinz Krautwurst einem 68 Kerbborsch)

Karl-Heinz Daniel